Frankreichs Premierminister François Bayrou hat kurz vor seinem erwarteten Sturz noch einmal mit dramatischen Worten für seinen Sparhaushalt geworben. "Sie haben die Macht, die Regierung zu stürzen, aber Sie haben nicht die Macht, die Realität auszulöschen", sagte Bayrou am Montag zu den Abgeordneten, von denen eine Mehrheit ihm bei der folgenden Abstimmung das Vertrauen entziehen wollte.
"Das Überleben des Landes steht auf dem Spiel", sagte Bayrou in einer Regierungserklärung vor der Sondersitzung der Nationalversammlung zur Vertrauensfrage. "Ein Land, das nicht in der Lage ist, seine öffentlichen Finanzen auszugleichen, ist ein Land, das sich selbst aufgibt", fügte er hinzu.
Bayrou hatte die Vertrauensfrage selber auf den Weg gebracht, um sich Rückhalt für seine Sparpläne in Höhe von 44 Milliarden Euro zu sichern. Die Opposition kündigte jedoch umgehend an, die Regierung zum Sturz zu bringen.
Gespräche in letzter Minute waren gescheitert, da Bayrou sich nicht zu größeren Zugeständnissen bereit zeigte. Insbesondere sein Vorschlag, zwei Feiertage zu streichen, hatte Unmut in weiten Teilen der Gesellschaft ausgelöst. Die sozialistische Partei hatte einen Gegenhaushalt mit Einsparungen in Höhe von 22 Milliarden Euro vorgelegt, an denen sich verstärkt große Unternehmen und Wohlhabende beteiligen sollten.
Bayrou warnte in seiner mutmaßlich letzten Rede als Regierungschef vor der Nationalversammlung davor, eben diese Abgaben zu erhöhen. "Das eine Prozent der größten Steuerzahler trägt einen großen Teil der privaten Investitionen", sagte er und verwies darauf, dass diese im Fall einer zu hohen Besteuerung das Land verlassen würden. "Es gibt eine Menge von Ländern, in denen sie Zuflucht finden würden", fügte Bayrou hinzu.
Er lehne es außerdem ab, einen ausgeglichenen Haushalt durch die Aufnahme weiterer Schulden zu erreichen, sagte Bayrou. Mit seiner Vertrauensfrage wolle er an die Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten appellieren.
Die Abstimmung wurde gegen 19.00 Uhr erwartet. Es wird damit gerechnet, dass Bayrou nach der erwarteten Niederlage am Abend oder am Dienstag nach nur neunmonatiger Amtszeit seinen Rücktritt einreicht. Die Regierung wird voraussichtlich geschäftsführend im Amt bleiben, bis Präsident Emmanuel Macron einen Nachfolger ernennt.
Bayrou hat das Kabinett nach Informationen aus seinem Umfeld am Abend zu einem Umtrunk eingeladen, wohl um das Ende seiner Amtszeit zu würdigen. In mehreren Städten, darunter Nantes, Pau und Rennes, haben Kritiker der Regierung für Montagabend ebenfalls zu "Abschiedsfeiern für Bayrou" eingeladen, möglicherweise ein Vorgeschmack auf größere Blockadeaktionen am Mittwoch.
In Online-Netzwerken braute sich in den vergangenen Wochen eine neue Protestbewegung zusammen, die ihrem Ärger über die Regierung mit ungewöhnlichen Aktionen Luft machen will - etwa Blockaden von Bahnhöfen und Konsumverzicht. Beobachter befürchten Ausschreitungen.
Ein Teil der Gewerkschaften ruft bereits für Mittwoch zu Streiks auf, die meisten Gewerkschaften planen einen eigenen Aktionstag am 18. September.
Macron hat Neuwahlen bislang ausgeschlossen. Nach Umfragen könnten die Rechtspopulisten vom Rassemblement National (RN) bei einer vorgezogenen Neuwahl weiter zulegen. Voraussichtlich würden sich dennoch keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben.
Auch seinen eigenen Rücktritt lehnt Macron ab. Seine Amtszeit läuft noch bis 2027, er kann dann nicht wieder antreten. In jüngsten Umfragen liegen die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen oder RN-Parteichef Jordan Bardella vorn - je nachdem, wer von den beiden am Ende antritt. Le Pen ist derzeit durch ein Gerichtsurteil daran gehindert, hofft aber auf das Berufungsverfahren Anfang 2026.
X.Hardy--LCdB