Dritter und Weißes Trikot: Lipowitz krönt Debüt - Pogacar siegt / Foto: MARCO BERTORELLO - SID
Florian Lipowitz genoss die letzten Meter alleine, dann nahm der neue deutsche Radstar mit einem verschmitzten Grinsen die Glückwünsche entgegen. Etwas früher als erhofft hat der Überflieger aus Ulm im strömenden Regen von Paris sein traumhaftes Debüt bei der Tour de France mit dem sensationellen Doppel-Coup gekrönt. Platz drei im Gesamtklassement, das Weiße Trikot für den besten Nachwuchsfahrer: Lipowitz ist in Frankreich in ganz große Fußstapfen getreten.
Während der unantastbare Tadej Pogacar seinen vierten Toursieg perfekt machte, aber einen Prestigeerfolg in Paris beim Montmartre-Spektakel als Vierter hinter dem niederländischen Tagessieger Wout van Aert knapp verpasste, verteidigte der 24-Jährige aus Ulm auch auf der 132,3 Kilometer langen Schlussetappe in die französische Hauptstadt seinen Vorsprung souverän.
Wegen des Regens wurde die Zeit für die Gesamtwertung bereits 50,3 Kilometer vor dem eigentlichen Ziel auf der Prachtstraße Champs-Élysées genommen. Lipowitz und die anderen Fahrer kümmerte das nicht, kurz zuvor fuhr er selbst noch eine Attacke, minutenlang fuhr er mit Mit-Ausreißer Quinn Simmons an der Spitze. Mit der Entscheidung hatte er allerdings nichts mehr zu tun.
Nach 19 Jahren schaffte es wieder ein Deutscher auf das Podium des wichtigsten Radrennens der Welt. Nach Kurt Stöpel (1932), Jan Ullrich (1996, 1997, 1998, 2000, 2001, 2003) und Andreas Klöden (2004, 2006) ist der ehemalige Biathlet Lipowitz erst der vierte. Die Nachwuchswertung hatten zuvor nur Dietrich Thurau (1977) und Ullrich (1996, 1997, 1998) gewonnen.
"Ich hätte niemals damit gerechnet, überhaupt um das Podium mitfahren zu können", hatte Lipowitz schon nach der vorletzten Etappe gesagt. Es gehe ein Traum in Erfüllung.
Das Gelbe Trikot gewann erneut Pogacar, er ist mit 26 Jahren der jüngste Vierfach-Sieger der Geschichte (2020, 2021, 2024, 2025). "Das war wieder einmal eine ganz neue Dimension der Härte. Aber ich habe es genossen", sagte Pogacar. Das erhoffte spannende Duell um Gelb gab es in diesem Jahr aber nicht. Pogacar (UAE Emirates-XRG) lag letztlich 4:24 Minuten vor dem Dänen Jonas Vingegaard (Visma-Lease a bike).
Dahinter kam es zu historischen Abständen. Elf Minuten benötigte Lipowitz länger als Pogacar. Seit Ullrichs Triumph 1997 hatte es keinen so großen Rückstand des Dritten auf den Sieger gegeben. Lediglich elf Fahrer blieben weniger als eine Stunde hinter Pogacar - das gab es zuletzt 1969 unter Eddy Merckx. Keine einzige Sekunde verlor der Dominator auch nur auf einer Etappe gegen einen Top-5-Fahrer des Gesamtklassements, echten Angriffen war er nicht ausgesetzt - oder er erstickte sie im Keim.
Fast im Vorbeifahren sicherte sich der 26-jährige Pogacar zum dritten Mal das Bergtrikot. Das Grüne Sprinterjersey ging an den Italiener Jonathan Milan (Lidl-Trek), der zwei Etappen gewinnen konnte. Die Mannschaftswertung entschied das niederländische Visma-Team für sich.
Dem ersehnten Tagessieg fuhren die deutschen Starter erneut vergeblich hinterher. Dem Ende der seit Nils Politts Erfolg im Jahr 2021 laufenden Durststrecke kam Sprinter Phil Bauhaus mit Platz drei in Dünkirchen am nächsten. Auch auf der 21. und letzten Etappe hatte Deutschland nichts mit der Entscheidung zu tun.
Als erster Deutscher seit Thurau vor 48 Jahren fuhr Lipowitz in Weiß nach Paris. "Es ist etwas Besonderes", sagte Lipowitz: "Wenn alles gut läuft, dann werden wir heute Abend feiern."
Nach einem gemächlichen Beginn gab Lipowitz mit seiner Attacke höchstpersönlich den Startschuss für die wilde Schlussphase. Schnell wurde er gestellt, dann begann das Spektakel am Montmartre. Pogacar gab alles für den Sieg und erhöhte bei der dritten und letzten Überquerung des Künstlerhügels das Tempo, nur van Aert konnte folgen. Der Alleskönner attackierte sechs Kilometer vor dem Ziel aus dem Windschatten Pogacars heraus und war nicht mehr einzufangen.
D.Jacobs--LCdB