Israel beruft zehntausende Reservisten ein - Netanjahu attackiert Katar / Foto: Jack GUEZ - AFP
Israel hat Berichten zufolge zehntausende Reservisten für eine geplante Ausweitung seiner Offensive im Gazastreifen mobilisiert. Die Armee habe damit begonnen, Einberufungsbefehle an Reservisten zu verschicken, berichteten mehrere israelische Medien am Samstag. Während in Tel Aviv erneut tausende Menschen bei Protesten die Rückkehr der Geiseln forderten, attackierte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu das Vermittlerland Katar mit scharfen Worten. Zuvor hatte die islamistische Palästinenserorganisation Hamas ein neues Geisel-Video veröffentlicht.
Israel hatte Mitte März nach einer knapp zweimonatigen Waffenruhe seine massiven Luftangriffe auf Hamas-Ziele im Gazastreifen wieder aufgenommen. Die israelische Armee startete zudem eine neue Bodenoffensive. Israels Armeechef Ejal Samir drohte in der vergangenen Woche mit einer Ausweitung der Offensive, sollten die von der Hamas am 7. Oktober 2023 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppten Israelis nicht bald freigelassen werden.
Erklärtes Ziel der israelischen Regierung ist es, mit ihrer militärischen Offensive den Druck auf die Hamas für eine Freilassung der Geiseln zu erhöhen. Wie israelische Medien am Samstag berichteten, sollen die nun einberufenen Reservisten in Israel und im besetzten Westjordanland stationierte Soldaten ersetzen, damit diese zu Kampfeinsätzen in den Gazastreifen geschickt werden können.
Ein Armeesprecher hat die Berichte auf AFP-Anfrage weder bestätigt noch dementiert. Verwandte von AFP-Journalisten bestätigten aber, dass sie einen Befehl zur Mobilisierung erhalten hätten.
Derweil griff Israels Ministerpräsident Netanjahu das Vermittlerland Katar scharf an. Er warf dem Golfemirat vor, "mit seiner Doppelzüngigkeit beide Seiten auszuspielen". Katar müsse sich "entscheiden, ob es auf der Seite der Zivilisation oder auf der Seite der Hamas-Barbarei" stehe, erklärte Netanjahu am Samstag im Onlinedienst X. "Israel wird diesen gerechten Krieg mit gerechten Mitteln gewinnen", fügte Netanjahu hinzu.
Katar wies Netanjahus Vorwürfe umgehend zurück. Die "provokativen" Äußerungen des israelischen Regierungschefs entsprächen nicht "den grundlegendsten Standards politischer und moralischer Verantwortung", erklärte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madsched al-Ansari, am Sonntag bei X.
Katar ist neben Ägypten und den USA ein wichtiger Vermittler bei den Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen. Das Golfemirat beherbergt nicht nur den größten US-Stützpunkt im Nahen Osten, sondern auch das Politbüro der im Gazastreifen herrschenden Hamas.
Katar hatte zusammen mit den USA und Ägypten eine im Januar in Kraft getretene Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen vermittelt. Bemühungen um eine neue Waffenruhe und die Freilassung der noch immer von der Hamas festgehaltenen Geiseln waren bislang erfolglos.
Zuvor am Samstag hatte die Hamas ein neues Geisel-Video veröffentlicht. In der rund vierminütigen Aufnahme ist ein Mann zu sehen, der am Kopf und am linken Arm bandagiert ist. Die Nachrichtenagentur AFP identifizierte ihn wie die meisten israelischen Medien als Maxim Herkin. Der Familienvater, der in dem Video Hebräisch mit russischem Akzent spricht, bezeichnet sich darin als "Gefangener 24". Er deutet zudem an, bei einem israelischen Luftangriff verletzt worden zu sein.
Unklar ist, wann genau das Video aufgenommen wurde. Der als Geisel verschleppte Mann verweist darauf, dass Israel in Kürze seinen Unabhängigkeitstag begehe - was darauf hindeutet, dass es kurz vor den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag am 1. Mai aufgezeichnet wurde.
Herkin stammt ursprünglich aus der Ukraine. Der 36-jährige war mit seiner Mutter nach Israel ausgewandert und besitzt neben der israelischen auch die russische Staatsbürgerschaft. Er war am 7. Oktober 2023 von der Hamas bei deren Überfall auf das Nova-Musikfestival im Süden Israels entführt worden.
Herkins Familie forderte die Medien in einer Erklärung auf, das Hamas-Video nicht zu verbreiten. Die Hamas und der Islamische Dschihad haben in der Vergangenheit immer wieder Videos von Geiseln veröffentlicht. Israel verurteilt diese Veröffentlichungen als "Propaganda" und "psychologische Kriegsführung".
Die Hamas und mit ihr verbündete Palästinensergruppen hatten am 7. Oktober 2023 bei ihrem beispiellosen Angriff auf Israel rund 1200 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Allein beim Nova-Festival töteten Hamas-Mitglieder und ihre Verbündeten bei Massakern mindestens 370 junge Menschen. 58 Geiseln befinden sich weiterhin in der Gewalt der Islamisten, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee tot.
In Tel Aviv demonstrierten derweil erneut mehrere tausend Menschen für die Rückkehr der Geiseln. "Wir sind hier, weil wir wollen, dass die Geiseln nach Hause kommen", sagte die 64-jährige Arona Maskil der Nachrichtenagentur AFP bei dem Protest vor dem Verteidigungsministerium. "Wir sind hier, weil wir nicht glauben, dass der Krieg in Gaza derzeit überhaupt gerechtfertigt ist."
Die große Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit betrachte die Rückkehr der Geiseln als "die höchste moralische Priorität der Nation", erklärte das Forum Geisel-Familien. Ihm zufolge gibt es "noch immer ein kritisches Zeitfenster, um eine Vereinbarung zu erreichen, die Leben rettet und weitere Verluste verhindert".
K.Cox--LCdB